So gelingt dir ein Downshifting
Bei einem beruflichen Neustart kommen einige Bewerber:innen mit der Problematik der Überqualifizierung in Kontakt. Insbesondere wenn man sich im mittleren Alter und mit langjähriger Berufserfahrung um einen niedrigeren Posten bewirbt, kann die Jobsuche manchmal holprig werden.
So auch bei einem Coachee von mir:
„Tim, das ist wirklich ärgerlich. Nun weiß ich endlich, was mich von einem erfüllten Arbeitsleben abhält, was mich stresst und mich nachts nicht zur Ruhe kommen lässt und dann klappt der Stellenwechsel überhaupt nicht“, erzählte einer meiner Coachees letztens in der Sitzung.
„Was meinst du denn genau?“, wollte ich wissen.
„Wie du weißt, überlege ich schon länger, meine Führungsposition an den Nagel zu hängen und auch gleichzeitig das Unternehmen zu wechseln. In meinem Team kann ich beim besten Willen nicht eine ‚Etage‘ tiefer arbeiten. Also habe ich mich nun auf drei sehr interessante Stellenanzeigen beworben. Bei zweien kam direkt eine Absage und bei der dritten Bewerbung ging das Vorstellungsgespräch komplett in die Hose. Wie soll ich denn endlich glücklich im Beruf sein, wenn ich den Aufgabenteil, der mich aufreibt, nicht loswerde? Und ganz ehrlich, wenn ich mich jetzt komplett neu orientiere, dann will ich auch kleinere Brötchen backen und diese Verantwortung nicht mehr tragen. Aber egal, was ich mache, mein BWL-Studium und meine bisherige Berufserfahrung scheinen eher ein Klotz am Bein zu sein, als dass sie mir bei meinem beruflichen Neustart helfen. Was kann ich denn jetzt tun?“
Tatsächlich kann ein Downshifting eine besondere Herausforderung darstellen. Ähnlich herausfordernd kann es auch für Bewerber:innen sein, die sich zwar komplett in einen neuen Berufsweg umorientieren und in diesem Sinne gar nicht downshiften, doch hohe Qualifikationen aus dem alten Berufsleben mitnehmen.
In diesem Artikel gehe ich näher auf diese Themen ein und gebe euch ein paar Tipps, wie ein beruflicher Neustart trotz Überqualifizierung gelingen kann.
1. Was ist Downshifting?
Das Downshifting ist, einfach gesagt, ein bewusster und freiwilliger Rückschritt in der Karriere und wird vor allem bei einem beruflichen Neustart immer beliebter. Dabei kann es sich zum einen um eine Veränderung der Position handeln, z. B. eine Führungskraft gibt einen Verantwortungsbereich oder gar die komplette Leitung ab und gliedert sich wieder im Team ein, oder man reduziert die Arbeitszeit und tritt damit kürzer.
Im Vordergrund von Downshifting im Job steht ein erfülltes berufliches und privates Leben durch eine bewusste Entscheidung, weniger oder anders zu arbeiten. Man reduziert also die Arbeitszeit, verändert den Aufgabenbereich oder die Tätigkeit und rutscht dadurch auch gewollt in der Gehaltsstufe runter. All dies geschieht allerdings bewusst zum Wohle des Allgemeinbefindens und führt häufig zu einem glücklicheren (Arbeits-) Leben.
2. Mögliche Schwierigkeiten beim Downshifting
Doch sich beruflich zu verändern und kürzerzutreten, klappt nicht immer reibungslos.
Insbesondere wenn bei einem Downshifting das Unternehmen gewechselt wird, kann es zu Schwierigkeiten bei der Jobsuche kommen. Denn Personalverantwortliche lehnen Bewerber:innen mit höheren Qualifikationen als gefordert schon mal schneller ab. Warum?
Arbeitgeber suchen in der Regel nach Mitarbeiter:innen, die für eine Position ausreichend qualifiziert sind, gut ins Team passen und lange im Unternehmen bleiben. Bei Bewerber:innen, die überqualifiziert sind, wird befürchtet, dass sie sich womöglich nach der Einarbeitung langweilen, schnell unterfordert sind und dann das Unternehmen wieder verlassen. Das möchte man natürlich verhindern.
Auf der anderen Seite sollen Teams gut funktionieren. Bewirbt sich also ein Professional mit hohen Qualifikationen auf eine Position, die normalerweise von Absolventen besetzt wird, kann das auch einen Alarm beim Personalverantwortlichen auslösen. Denn hohe Qualifikationen gehen auch Hand in Hand mit einer gewissen Berufserfahrung und Alter. Nicht jede:r 40-Jährige passt in ein Team von 25-Jährigen und das macht einigen den beruflichen Neustart schwierig. Zwar sind sie fachlich in ihrem neuen Berufsleben noch nicht komplett qualifiziert (es fehlt z. B. ein Vertiefungsfach) und möchten irgendwo starten, doch vom Alter und Erfahrungsschatz her passen sie nicht in jedes Team oder jede Abteilung.
Was also tun?
Downshifting beim beruflichen Neustart – so klappt es.
Im Unternehmen bleiben?
Altersteilzeit oder Reduzierung der Arbeitsstunden mit einem bewussten Downshifting oder beruflichen Neustart mit Überqualifizierung ist in vielen Unternehmen bereits etabliert. Auch ein Abteilungs- oder Fachbereichswechsel innerhalb der Firma ist keine Seltenheit mehr. Viele Unternehmen kommen guten Mitarbeiter:innen entgegen und gehen in der Regel gerne auf individuelle Wünsche ein, um sie zu halten.
Solltest du mit dem Unternehmen, in dem du arbeitest, als Arbeiter grundsätzlich zufrieden sein und lediglich deinen Arbeitsalltag – sei es zeitlich oder fachlich – verändern wollen, dann äußere dein Anliegen und besprich es mit deinem Vorgesetzten und der Personalabteilung. Damit kannst du in der Regel die Problematik einer Überqualifizierung unkompliziert umgehen. Und unter Umständen fallen sogar die Gehaltseinbußen geringer aus als bei einem kompletten Firmenwechsel. Schließlich kannst du trotz Arbeitszeitreduzierung oder fachlicher Veränderung deine alte Abteilung weiterhin beratend unterstützen.
Einen Versuch ist es allemal wert. Und sollte ein Downshifting bei deinem aktuellen Arbeitgeber nicht realisierbar sein, dann kannst du dich ja immer noch extern verändern.
Wie gut ist deine Stellensuche optimiert?
Ob mit oder ohne Überqualifizierung, wer beruflich neu startet, muss seine zukünftigen Positionen und Arbeitgeber sehr genau unter die Lupe nehmen. Zum einen möchte man endlich einen Job, der erfüllend ist und zum anderen möchte man ja nicht nach sechs Monaten wieder wechseln, nicht wahr?
Wichtig ist hierbei, dass man sich folgende Fragen stellt:
– Möchte ich wirklich für diesen Arbeitgeber tätig werden?
– Entsprechen die Rahmenbedingungen meinen Vorstellungen?
– Ist das eine Position, auf die ich passe und passt die Position zu mir?
– Werde ich mich in diesem Team oder der Unternehmenskultur wohlfühlen?
– Bin ich für die angestrebte Position wirklich überqualifiziert? Wenn ja, was werde ich tun, um nicht unterfordert zu sein? Oder liegt meine „Überqualifizierung“ schon so lange zurück, dass sie gar keine mehr ist?
Je mehr du dich selbst mit der Stelle, deinen Qualifikationen und deinen Erwartungen auseinandersetzt, umso einfacher wird es für dich sein, deinen potenziellen Arbeitgeber von dir und deinen Qualifikationen und Motivationen zu überzeugen – auch wenn du überqualifiziert bist.
Dieses Vorgehen hat noch einen weiteren Pluspunkt: Auch wenn es dauern kann, bis man wirklich passende Stellenangebote findet, so lohnt es sich dennoch. Damit umgehst du nämlich, dich ziellos auf diverse Positionen zu bewerben, kassierst in der Regel weniger Absagen und kommst zufriedener und entspannter zum neuen Job.
Aktiv Ansprechen – ja oder nein?
Die Frage, ob man seine Überqualifizierung bei der Bewerbung wirklich aktiv ansprechen soll, wird mir oft gestellt. Darauf gibt es keine klare Antwort.
Wenn du dich unternehmensintern bewirbst, wird es automatisch zur Sprache kommen. Schließlich möchten HR und Vorgesetzte gerne wissen, warum ein Stellenwechsel von dir beabsichtigt ist und sichergehen, dass du auf der neuen Position zufriedener sein wirst.
Ähnlich ist es auch, wenn du mit deiner Bewerbung trotz Überqualifikation schon gepunktet hast und zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurdest. Normalerweise werden Job-Interviews nur Bewerber:innen angeboten, die wirklich infrage kommen. Sollte deine Überqualifizierung ein Problem darstellen, dann wird dies spätestens im persönlichen Gespräch vonseiten des Unternehmens angesprochen. Auch hier brauchst du nicht aktiv werden.
Wenn deine Qualifikationen allerdings deutlich vom Stellenprofil abweichen – z. B. ein leitende:r Vertriebsmitarbeiter:in möchte sich zur Vertriebsassistenz herunterstufen lassen und nur noch zuarbeiten – dann macht es durchaus Sinn, deine Hintergründe und Motivationen kurz aber präzise im Bewerbungsschreiben anzusprechen. Ein Verweis, gerne Näheres im persönlichen Gespräch zu diesem Thema zu erörtern, ist mit Sicherheit auch eine gute Lösung.
Wichtig ist, dass dir deine Motivation beim Downshifting bewusst ist und du diese klar formulieren kannst. Für ein Unternehmen ist es wichtig, dass es motivierte Mitarbeiter:innen einstellt. Je besser du davon überzeugen kannst, dass deine Überqualifizierung nur Vorteile und keine Nachteile hat, umso leichter wird dir ein Downshifting auch gelingen.