Mindset-Shift zur Burn-out-Prävention für Perfektionisten
Perfektionisten sind besonders gefährdet, an Burn-out zu erkranken. Der Zusammenhang zwischen Burn-out und Perfektionismus wird seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht.
In diesem Artikel stelle ich euch zwei Arten von Perfektionismus vor, die in der Wissenschaft am häufigsten genannt werden. Des Weiteren werde ich auch die Ursachen von Perfektionismus anreißen und ihr bekommt einen Überblick zu Burn-out und den möglichen Folgen.
Und last but not least: Was kannst du als Perfektionist:in tun, um entspannter zu leben und Burn-out zu entkommen? Lies weiter und triff die für dich „perfekte“ Entscheidung 😉
1. Arten von Perfektionismus
Perfektionismus ist per se nichts Schlechtes. In manchen Branchen und Bereichen muss man perfekt arbeiten. Wenn ein:e Schreiner:in nicht mit exakter Präzision die Tischbeine eines Tisches abmisst und zurechtschneidet, dann bekommt er:sie nur ein suboptimales Ergebnis, das dann entweder angepasst werden muss oder so nicht verwendet werden kann. Ähnlich verhält es auch sich in vielen anderen Arbeitsbereichen und Berufen.
Das Problem mit Perfektionismus ist nicht der Perfektionismus an sich, sondern der Umgang mit einem unperfekten Ergebnis und die Ausweitung auf das gesamte Leben. Demnach werden die folgenden Arten von Perfektionismus in der Literatur und Wissenschaft behandelt.
a) Funktionaler Perfektionismus
Funktionaler Perfektionismus, auch als positiver oder gesunder Perfektionismus bekannt, beschränkt sich nicht auf das gesamte Leben einer Person, sondern nur auf bestimmte Lebens- und/oder Arbeitsbereiche. Hierbei wirkt Perfektionismus als ein Hebel zur Motivationssteigerung und sein Erreichen ist sowohl realistisch (es ist möglich, alle Tischbeine auf die gleiche Länge zuzuschneiden), als auch durch frühere Fehler (falsch geschnitten) erlernbar und für diesen Bereich notwendig.
Gleichzeitig spricht sich der:die funktionale Perfektionist:in Bereiche im Leben zu, in denen er:sie nicht perfekt sein muss. Ausgehend vom vorherigen Beispiel: Der:die Schreiner:in hat die Tischbeine nicht perfekt zugeschnitten und muss den Tisch nachbessern, was ihr:ihm Überstunden beschert. Da er:sie eine perfekte-unperfekte Ehe führt, ist es kein Problem, das Abendessen um eine Stunde zu verschieben. Somit kommt kein zusätzlicher Druck auf den:die funktionale:n Perfektionisten:in zu.
b) Dysfunktionaler Perfektionismus
Dysfunktionaler Perfektionismus, auch als negativer oder ungesunder Perfektionismus bekannt, bezieht sich hingegen oft auf (fast) alle Arbeits- und/oder Lebensbereiche. Dabei ist es oft unrealistisch, ein perfektes Ergebnis zu erreichen, wodurch enorm viel Druck auf dem:der Perfektionisten:in lastet.
Ein paar Beispiele: Ein:e Hochleistungssportler:in trainiert nach einem ausgeklügelten Trainingsplan, bringt extreme Leistungen und verliert doch den Wettkampf, weil jemand anderes an diesem Tag einfach besser war. Oder: Ein:e Künstler:in ist mit ihrem Werk nicht zufrieden, weil es wahrlich nie vollendet ist. Oder: Ein Elternteil, das berufstätig ist, möchte alle Rollen im Leben und Beruf perfekt erfüllen: Perfekte:r Partner:in, perfekte:r Koch/Köchin, perfekte:r Mutter/Vater und perfekte:r Bruder/Schwester/Freund:in/Angestellte:r. So viel Perfektionismus ist für einen Menschen, pragmatisch gesehen, eigentlich nicht realisierbar.
Dysfunktionaler Perfektionismus erhöht den Druck, der auf einer Person lastet und zwingt den:die Perfektionist:in, zum Teil weit über die Grenzen des Möglichen zu gehen, was nicht selten im Burn-out mündet.
2. Ursachen von Perfektionismus
Niemand wird als Perfektionist geboren. Perfektionismus ist angelernt und antrainiert, und wie bereits erwähnt, nicht per se etwas Schlechtes.
Der wissenschaftlichen Forschung zufolge sind autoritäre Gesellschafts- und Familienstrukturen maßgeblich für die Entwicklung von perfektionistischen Persönlichkeitsmerkmalen verantwortlich.
Innerhalb einer Familie wird Perfektionismus häufig von Generation zu Generation weitergegeben, weil wir Menschen als Kinder von unserer Familie lernen. Stets von klein auf vielen Regeln Folge leisten zu müssen, keine Fehler machen zu dürfen und nur durch enorme Leistungen Anerkennung (und manchmal auch Liebe) zu erhalten, prägt.
In vielen Gesellschaften wird Perfektionismus weiter gezüchtet und genährt. Dazu zählen eine negative Fehlerkultur im Unternehmensalltag, aber auch die Ausgrenzung von „Unperfekten“ aus dem sozialen Leben (z. B. Mobbing in den Sozialen Medien, geringschätzige Berichterstattung im Fernsehen usw.) und fehlende Wertschätzung für gute, aber vielleicht nicht perfekte Leistungen.
3. Ursachen von Burn-out
Die Ursachen von Burn-out sind sehr vielfältig und vereinen sowohl die Gesellschaft, die persönliche Resilienz eines Einzelnen, die Rahmenbedingungen im Job- und Arbeitsalltag als auch das private Umfeld.
Grundsätzlich bricht Burn-out dann aus, wenn wir Menschen über einen längeren Zeitraum enormem Druck ausgesetzt sind und kein Entkommen möglich ist.
Anfangs wurde Burn-out als typische Managerkrankheit ausgelegt, weil man besonders in Führungspositionen viel Verantwortung trägt, oftmals eine extrem hohe Arbeitsbelastung hat und wenig Zeit zum Ausgleich findet. Dieser ungesunde Mix erzeugt hohen Druck, der einen irgendwann in die Knie zwingen kann.
Mittlerweile haben allerdings unterschiedliche Studien belegt, dass auch Arbeitslose an Burn-out erkranken können. Der Druck, der auf einem lastet, weil man gesellschaftlich nun zur „unteren“ Schicht gehört, keine Wertschätzung erhält, an sich selbst zweifelt und sich unnütz fühlen kann, erzeugt einen ähnlich hohen Druck, wie immer mit Vollgas durch das Arbeitsleben zu rasen.
Hinzu kommt auch das Privatleben eines jeden Menschen. Steht man nämlich auch privat unter hohem Druck, z. B. familiär durch Krankheiten von Angehörigen oder Doppelbelastung durch Familie und Arbeit, bei finanziellen Schwierigkeiten oder Darlehensrückzahlungen, Probleme in Liebesbeziehungen oder fehlt ein stabiles soziales Umfeld komplett, so wird man auch dann ohne ausreichende Resilienz und gute Stressbewältigungsstrategien diesen Lebensrucksack schwer ertragen können und auf einen Burn-out zusteuern.
Und hier kommt auch das Gefährliche bei Perfektionisten: Denn Druck, Stress und lebens- oder arbeitsbedingte Herausforderungen lauern an jeder Ecke. Wenn man nun sich selbst durch einen erlernten Perfektionismus auch noch zusätzlich unter Druck setzt, alles stets perfekt machen zu wollen (oder zu müssen), und sich selbst an seine Grenzen pusht, dann erhöht man den Druck, der eh schon vorhanden ist, nochmals um ein Vielfaches.
4. Folgen von Burn-out
Die Folgen von Burn-out erstrecken sich sowohl über die Gesundheit des Körpers als auch über die der Psyche.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich Burn-out bei vielen Menschen vorerst auf der psychosomatischen Ebene zeigt. Das bedeutet, dass Menschen an körperlichen Beschwerden leiden, für die keine körperlichen Ursachen gefunden werden. Vor allem Perfektionisten wundern sich oft, körperlich zu erkranken, obwohl sie doch stets versuchen, auch einen gesunden (perfekten) Lebensstil zu führen.
Häufig kommt es zu folgenden psychosomatischen Symptomen bei Burn-out:
– Schlafstörungen und Albträume
– Geschwächtes Immunsystem
– Erhöhter Blutdruck und beschleunigter Puls
– Engegefühl in der Brust und Atembeschwerden
– Gewichtsveränderung
– Verdauungsprobleme
– Magen-Darm-Beschwerden
– Übelkeit
– Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen
– Nervöse Ticks
Gleichzeitig macht Burn-out sich auch auf der rein psychischen Ebene bemerkbar und überschattet das soziale und emotionale Leben eines:r Betroffenen
Ein an Burn-out erkrankter Mensch verleugnet im ersten Schritt seine:ihre eigenen Bedürfnisse und hat nur wenig Energie für soziale Interaktionen. Das äußert sich sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld.
Folgende Reaktionen sind typisch bei Burn-out und seinen Vorstufen:
– Zuerst erhöhte Arbeitsmotivation, gefolgt von Erschöpfung bis hin zu negativer Einstellung im gesamten Leben und existenzieller Verzweiflung
– Aufgeben von Hobbys und allgemeines Desinteresse oder Langeweile
– Verringerung der Produktivität und Kreativität
– Widerstand, täglich zur Arbeit zu gehen, und ein ständiges „Auf-die-Uhr-Sehen“ sowie Fluchtfantasien
– Konzentrations- und Gedächtnisschwäche
– Unfähigkeit, komplexere Aufgaben zu lösen; Ungenauigkeit und Desorganisation
– Entscheidungsunfähigkeit, sowie die Unfähigkeit, Kompromisse einzugehen
– Launenhaftigkeit als auch Nörgeleien und häufige Konflikte mit anderen Menschen
Die oben genannten Reaktionen sowie Symptome sind lediglich ein paar wenige Beispiele, die wissenschaftlich als typische Anzeichen für Burn-out gelten. Die Liste an Symptomen und menschlichen Reaktionen, die mit Burn-out zusammenhängen, ist bei Weitem länger.
Hinzu kommt auch die Erhöhung der eigenen Ansprüche, die besonders schwerwiegend für Perfektionisten sind, da sie den inneren Druck, dem ein:e Perfektionistin ausgeliefert ist, erhöhen und so als ein Hebel bei Burn-out wirken können.
Die Erhöhung der eigenen Ansprüche äußert sich wie folgt: volle Konzentration auf die eigenen Ansprüche, Gefühl von mangelnder Anerkennung, das Gefühl, ausgebeutet zu werden, Eifersucht und gemindertes Selbstvertrauen sowie Probleme innerhalb der Familie und mit den eigenen Kindern.
5. Mindset-Shift für Perfektionisten
Was können also Perfektionisten tun, wenn sie merken, dass sie schnurstracks auf dem Weg sind, in die Burn-out-Falle zu tappen?
Tipp Nr. 1: Setze dich mit deinem Perfektionismus auseinander und akzeptiere, wer du bist.
Tipp Nr. 2: Arbeite an deinem Resilienz-Level und mache ausreichend Pausen, damit dein Körper und Geist zur Ruhe kommen können.
Tipp Nr. 3: Wenn du durch Selbstcoaching und Recherche nicht alleine weiterkommst, aber dein Leben nachhaltig entspannter gestallten möchtest und deinen Perfektionismus abschwächen möchtest, dann nimm gerne Unterstützung von Profis an und besuche Trainings und Seminare.
Diese Fragen können dir schon mal helfen, damit du die ersten Schritte in ein perfektes unperfektes (Arbeits-) Leben machen kannst:
– Wer bist du, wenn du nicht perfekt bist?
– Welche Sportarten oder Hobbys haben dich als Kind begeistert und motiviert?
– In welchem Lebensbereich erlaubst du dir, unperfekt sein?
Mein Fazit
Burn-out ist ein allgegenwärtiges Thema, mit dem sich sowohl die Wissenschaft als auch die Berufswelt auseinandersetzt. Wer stets durch seinen inneren Drang, alles perfekt machen zu müssen, angetrieben wird, steuert häufig mit kleinen, aber feinen Schritten auf Burn-out zu. Perfektionismus ist ein langfristig antrainiertes Verhalten und kann nicht von heute auf morgen wieder verlernt werden. Trainings zur Steigerung von Resilienz können eine gute Möglichkeit sein, um Burn-out präventiv zu begegnen, und ein individuell angepasstes Coaching ist vielversprechend, um seinen Perfektionismus zu bändigen und zu reduzieren.