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Wertschätzung in der systemischen Führung (Gastbeitrag von Lars E. Thies)

Sind Sie bereit für Führung 2.0?

Fachkräftemangel, hohe Krankenstände, Burn-out. Nur ein paar Schlagwörter, die unsere Wirtschaft seit einigen Jahren begleiten. Und die Zahlen, die mit diesen Schlagwörtern einhergehen, steigen kontinuierlich. Die Folge: Alle buhlen um den Nachwuchs und Firmen scheuen auch nicht davor zurück, diesen durch die Zahlung hoher Prämien abzuwerben. Nicht selten bleiben kleinere Unternehmen hierbei auf der Strecke. Aber auch die „Großen“ erkennen allzu bald, dass bei der Y- und Z-Generation die Höhe des Gehaltes nicht mehr allein die ausschlaggebende Rolle spielt. Häufig stehen bei der jungen Generation Work-Life-Balance oder andere Benefits im Vordergrund ihres Interesses.

Wie nun dafür sorgen, dass sich die wenigen möglicherweise qualifizierten Kräfte für das eigene Unternehmen entscheiden und dann auch bleiben? Schnell geistern hier Ideen wie Recreation Areas, Gutscheine für Fitnessclub oder kostenloses Essen durch die führenden Köpfe der HR-Abteilungen. Ideen, die häufig ein immenses Budget fordern. Das muss doch auch anders gehen?

Ja! Allzu häufig nämlich wird vergessen, dass all die noch so glitzernden Annehmlichkeiten am Ende bedeutungslos sind, wenn das, was sie eigentlich zum Ausdruck bringen sollen, nicht auch gelebt wird: menschliche Nähe und Wertschätzung eines jeden einzelnen Mitarbeiters. Wenn all die dargereichten Bonbons nämlich lediglich den Mitarbeiter einlullen sollen, damit dieser mehr Leistung bringt, verkommt diese Art der falschen Wertschätzung zum Selbstzweck.

Echte, gelebte Wertschätzung und Führen auf Augenhöhe; letztendlich sind dies die Dinge, die dafür ausschlaggebend sind, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in einem Unternehmen wohlfühlen und diesem über Jahrzehnte die Treue halten. Und diese Wertschätzung spiegelt sich eben gerade nicht in irgendwelchen kostspieligen Benefits wider, sondern in der Art und Weise, wie jeder oder jede Einzelne in dem Unternehmen angesehen ist. Oft genug nämlich wird vergessen, dass kein wirtschaftlich denkendes Unternehmen Arbeitsplätze in einem Unternehmen schaffen wird, welche letztendlich nicht benötigt würden. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass ein Unternehmen in der Regel auf keinen dieser Arbeitsplätze und folglich auch auf keinen Menschen, welcher diesen Arbeitsplatz besetzt, verzichten kann. Warum behandeln wir diese Menschen dann nicht genau so?

Systemische Führung betrachtet stets den einzelnen Menschen in seinem Umfeld, dem beruflichen wie dem privaten. Jegliches menschliche Verhalten resultiert letztendlich aus der Summe der einflussnehmenden Faktoren des ihn/sie umgebenden Gefüges. Statt, wie wir es meist gewohnt sind, in Ursache und Wirkung zu denken, verfolgt der systemische Ansatz in der Führung die Denkweise in Wechselwirkungen. Beobachtet die Führungskraft beispielsweise das Verhalten eines Mitarbeiters in verschiedenen Kontexten, wird sie häufig unterschiedliche Verhaltensweisen identifizieren. Dies eröffnet bei einer lösungsorientierten Betrachtungsweise, wie sie dem systemischen Ansatz zu eigen ist, häufig eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten, anstatt, wie im klassischen Führungsansatz zu beobachten, lediglich auf die Beseitigung eines Fehlers zu setzen.

Notwendig hierfür sind allerdings ein grundsätzlich positives Menschenbild und ein echtes Interesse an dem Wohl der mir anvertrauten Menschen. Nur mit einer solchen Sichtweise ist es mir als Führungskraft möglich, der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter die Rahmenbedingungen zu schaffen, in welchen Kompetenzen und Verantwortung der jeweiligen Aufgabe entsprechen und die dann im Gesamtgefüge zu Höchstleistungen führen.

Welche Vorteile bietet nun eine wertschätzende Einstellung und damit verbunden ein systemischer Führungsansatz?

Zum einen sind hier die Vorteile für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter selbst zu betrachten. Mitarbeiter, die echte Wertschätzung erfahren, werden dies auch spüren. Die Folge wird eine gesteigerte Motivation sein und das Wissen, in diesem Unternehmen und an dieser Stelle richtig zu sein. Da der systemische Führungsansatz das Ziel verfolgt, insbesondere die Stärken eines jeden zu fördern, erfährt der Mitarbeiter eine zielgerichtete Förderung, was die Motivation nochmals steigern wird. Zufriedene Angestellte gehen gerne zur Arbeit und sind regelmäßig seltener krank.

Aber auch der Führungskraft bietet der systemische Führungsansatz diverse Vorteile. Da diesem Führungsstil grundsätzlich eine lösungsorientierte Fehlerkultur immanent ist, werden sich bei konsequenter Umsetzung auch im Ergebnis eher Lösungen als Fehler ergeben. Und an diesen wird eine Führungskraft gemessen. Auch führt diese wertschätzend-lösungsorientierte Denkweise zu einem erweiterten Blick, beispielsweise auf die Einsetzbarkeit des einzelnen Mitarbeiters. Findet sich vielleicht eine Tätigkeit, die den Neigungen und der Begabung der Mitarbeiterin oder es Mitarbeiters viel eher entspricht? Ein motivierter Mitarbeiter zeigt stets auch eine erhöhte Leistungsbereitschaft, was sich letztendlich in den Ergebnissen des Teams widerspiegeln wird. Nicht zuletzt ist gelebte Wertschätzung niemals eine Einbahnstraße. Wertschätzung verlangt Vertrauen und schafft Vertrauen, auch vom Mitarbeiter in die Führungskraft. Und – seien Sie mal ehrlich – auch eine Führungskraft möchte, ja braucht die Wertschätzung ihres Teams.

Schlussendlich seien noch die Vorteile genannt, die das Unternehmen aus einem wertschätzenden Umgang mit seinen Angestellten hat, die dann zufriedener zu ihrer Arbeit kommen. Vor allem nämlich kommen sie häufiger zur Arbeit. Wie eine Studie des dänischen Unternehmens Peakon 2020 belegt, geht in Deutschland beinahe jeder Vierte (23 Prozent) unmotiviert in die Arbeit. Damit stehen wir Deutschen im internationalen Vergleich an der Spitze. Damit einher geht auch die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage. Bis zu 75 Prozent höher sind diese bei einem Unternehmen mit niedriger Arbeitszufriedenheit. Dies kann nach Schätzung von Peakon ein Unternehmen mit 10.000 Angestellten mehr als 48 Mio. Euro jährlich kosten[1]. Hier sind nicht nur die psychischen Erkrankungen zu nennen, die in den vergangenen Jahren massiv zugenommen haben (rund 276 Abwesenheitstage je 100 Versicherte aufgrund psychischer Erkrankungen in 2022 laut einer Studie der DAK[2]), häufig sind auch körperliche Erkrankungen psychosomatischer Natur. Ein zufriedener Mitarbeiter dagegen ist nachweislich seltener krank.

Auch sorgt eine höhere Arbeitszufriedenheit für eine höhere Identifikation mit dem eigenen Unternehmen und somit für weniger Kündigungen. Gerne werden dann finanzielle Offerten anderer Unternehmen einmal öfter ausgeschlagen, da man sich eben nicht sicher sein kann, vom neuen Arbeitgeber ebenso gut behandelt zu werden.

Ein nicht zu verachtender Nebeneffekt ist der zumeist höhere Output, den zufriedene Mitarbeiter erwirtschaften. Dieser ist häufig nicht nur quantitativer Natur. Wie oben dargelegt, werden systemisch geführte Mitarbeiter lösungsorientiert häufig neigungs- und begabungsgerecht eingesetzt. Dies führt nicht selten zu äußerst kreativen Lösungsansätzen und Innovationen.

Ja, wertschätzende systemische Führung ist anstrengend und verlangt Führungskräften viel ab. Schließlich muss Wertschätzung nicht selten auch über Sympathiegrenzen hinaus erfolgen. Aber der daraus resultierende Gewinn kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und dies nicht nur aus monetärer Sicht!

Lars E. Thies

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