In einem früheren Artikel habe ich dir 6 Kernkompetenzen der Resilienz vorgestellt. Das waren Selbst- und Fremdwahrnehmung, Selbstwirksamkeit bzw. Selbsterwartung, Selbstregulation, Soziale Kompetenz, Problemlösefähigkeit, Aktive Bewältigungskompetenz. Diese 6 Kompetenzen stellen deine Resilienzstärke dar und werden in dieser Ausführung häufig in der wissenschaftlichen Forschung genutzt.
Das Model der Resilienz nach Ursula Nuber
Ein weiteres Erklärungsmodell der Resilienz basiert auf den Erkenntnissen der Psychologin und Therapeutin Ursula Nuber. Die gebürtige Münchnerin ist eine bekannte Journalistin und Autorin zahlreicher psychologischer Sachbücher zu unterschiedlichen Themen der Psychologie und sie erklärt Resilienz als eine psychische Widerstandsfähigkeit, die auf 7 Säulen steht. Dieser Ansatz wird vor allem im deutschen Raum von Coaches im Resilienz-Training verwendet. Auch ich arbeite sehr gerne mit diesem Modell und habe es in meinem Arbeitsbuch „Resilienz für Fach- und Führungskräfte“ aufgegriffen. Dieses stelle ich dir übrigens kostenfrei zur Verfügung. Du kannst es direkt hier bestellen. Dort findest du Aufgaben zu jeder Säule der Resilienz. Du kannst selbst bestimmen, welche von den im Folgenden vorgestellten Aspekten der Resilienz bei dir noch verfeinert werden sollten. Du kannst jede Säule einzeln oder auch alle gleichzeitig trainieren.
Zu den 7 Säulen oder auch Aspekten der Resilienz zählen:
1. Optimismus
Damit ist eine positive Grundeinstellung zum Leben und Geschehen im Allgemeinen gemeint. Je nachdem, aus welcher Perspektive wir die Dinge, die um uns herum passieren, wahrnehmen, so bewerten wir sie auch. Ein gutes Beispiel, um das deutlich zu machen, ist das Beispiel mit dem halben Glas Wasser. Für die einen ist es halb voll und für die anderen halb leer. Ganz sachlich betrachtet ist es einfach nur halb voll. Wir als Subjekte geben dem, was wir wahrnehmen, eine Bedeutung, die unsere Denkweise und unsere Handlungen beeinflusst. Optimismus stärkt unsere Resilienz und verhilft uns, besser mit Stresssituation umzugehen. Wer eher zu dem „halb leeren Glas“-Typ zählt und die Perspektive wechseln möchte, der kann an seinem Optimismus arbeiten.
2. Akzeptieren, was man nicht ändern kann
Für jedes Problem gibt es mindestens eine Lösung. Nur nicht immer ist jede Lösung gleich einfach durchführbar und zufriedenstellend. Sich dessen bewusst zu werden und zu akzeptieren, was in der eigenen Macht liegt und was man nicht beeinflussen kann, reduziert Stress und lässt schneller eine passende und durchführbare Lösung finden. Dabei lernt man, sich manchmal vielleicht mit der zweitbesten Option zufriedenzustellen, weil das, was man eigentlich möchte, einfach nicht (zu diesem Zeitpunkt oder mit diesen Ressourcen) umsetzbar ist. Diese Akzeptanz kann sehr gut trainiert werden. Hierbei wird der Fokus auf die Grenzen der eigenen Handlungen gelegt und ihrer Annahme. Sich selbst als nicht perfekt zu sehen und auch seine Schwächen wahrzunehmen und anzunehmen, macht das (Arbeits-) Leben oft viel entspannter und führt oftmals zu besseren Entscheidungen.
3. Das Land der Lösungen nutzen
Wie schon beim vorherigen Punkt erläutert: Für jedes Problem gibt es mindestens eine Lösung. Eine lösungsorientierte Denk- und Verhaltensweise ist essentiell für eine gute Resilienz und psychische Widerstandsfähigkeit. Oft fokussieren wir uns so sehr auf das Problem, dass wir vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. Das kann ungemein anstrengend sein, zieht dem Körper Energie ab und erhöht den Stresslevel. Sich bewusst zu werden, dass viele Wege nach Rom führen und wir auf unterschiedliche Weisen ein bestimmtes Problem oder eine Herausforderung meistern können, erweitert nicht nur den Horizont und lässt uns persönlich wachsen, sondern eröffnet oft neue Möglichkeiten, an die wir zuvor noch gar nicht gedacht haben. Eine lösungsorientierte Vorgehensweise ist in vielen beruflichen Positionen eine sehr wichtige Kompetenz und sollte insbesondere bei Führungskräften gut entwickelt sein.
4. Ablegen der Opferrolle und Übernehmen von Verantwortung
Unterschiedliche Sichtweisen auf Geschehnisse, Missverständnisse, Argumentationen oder Konflikte gibt es immer wieder mal bei zwischenmenschlichen Interaktionen. Selten ist man sich sofort einig, immer auf der gleichen Wellenlänge oder kann zu 100 % sachlich bleiben. Negative Emotionen, wie Schuld, Ärger, Wut oder Groll können die Folge sein. Nicht selten verfällt man dann in eine sogenannte Opferrolle und ist nicht mehr Herr bzw. Frau über die Situation. Dieses Verhaltensmuster kann man sich abtrainieren bzw. „entlernen“. Sehr resiliente Menschen übernehmen Eigenverantwortung für ihre Handlungen, kommen schneller mit sich selbst, mit anderen und einer unangenehmen Situation ins Reine und nehmen dann kritische Ereignisse oder Stresssituationen nicht als persönliche Schwächen oder Niederlagen wahr. Dies kann sehr vorteilhaft sein, wenn man beruflich mit Menschen zu tun hat, sei es im Kundenkontakt oder in sozialen Berufen.
5. Selbstregulation
Kennst du das? Du kommst von der Arbeit nach Hause und eine bestimmte Situation, die dich emotional belastet hat, kommt mit. Insbesondere in Berufen mit viel menschlicher Interaktion oder wenn es im Team, mit Vorgesetzten, Kunden oder Mitarbeitern zu Konflikten kommt, dann sind diese Sachverhalte und Situationen manchmal sehr schwer loszulassen. Seine Emotionen und Gedanken zu kontrollieren und zu regulieren, ist ein wesentlicher Bestandteil von Resilienz. Wie man aus der Dauerschleife der Grübelei, was auch als Overthinking bekannt ist, rauskommt, kann u. a. durch Selbstreflexion und Erdung trainiert werden. Psychische Widerstandsfähigkeit bedeutet u. a., dass man in der Lage ist, belastende Situationen mit Abstand zu betrachten und seine Emotionen sowie Gedanken eigenverantwortlich regulieren kann.
6. Netzwerke und Beziehungen gestalten
Wir Menschen sind Rudeltiere. Zwischenmenschliche Interaktion, ob im privaten oder beruflichen Bereich, ist lebensnotwendig für uns. Spätestens seit Corona ist wahrscheinlich vielen bewusst geworden, wie ungesund Isolation sein kann und wie schädlich sich dieser Zustand auf die Psyche auswirken kann. Um so wichtiger ist es, in der Lage zu sein, gesunde Beziehungen einzugehen und zu führen. Hier finden wir übrigens auch eine Überschneidung zu dem PERMA-Modell von Seligman, welches auch als das wissenschaftliche Modell des Glücks bekannt ist. Wenn es um Stressbelastbarkeit geht, haben zwischenmenschliche Beziehung einen Unterstützungscharakter. Menschen, die eine ausgeprägte Resilienz aufweisen, können in der Regel auf ein gut funktionierendes Unterstützungssystem zurückgreifen, sei es in Form von Familie, Freunden oder im beruflichen Bereich auf ein intaktes und kollegiales Team.
7. Zukunftsgestaltung
Ziele im Leben zu haben und diese anzugehen, ist sowohl ein interner Motivator als auch positiver Antrieb im Kampf gegen Stress sowie belastende und kritische Lebensereignisse. Menschen mit ausgeprägter Resilienz handeln ziel- und zukunftsorientierter. Das bedeutet, dass sie ihren Fokus nicht auf die Vergangenheit, sondern mehr auf das Jetzt und Hier legen. Im weiteren Sinne bedeutet es auch, dass man dann besser mit Stresssituationen umgehen kann, wenn man mit seiner Vergangenheit im Reinen ist, sich selbst gut genug kennt, um zu wissen, welche Ziele die richtigen für einen sind und auch dementsprechend agiert. Das ist im Übrigen auch ein wichtiger Faktor, wenn es zur beruflichen Neu- und Umorientierung kommt. Schließlich ist es wichtig, dass man bei der erneuten Berufswahl die richtige Wahl trifft und so zu mehr Erfüllung im Beruf gelangt. Auch wenn man natürlich jedes Ziel, jedes Lebensmotto oder jeden Beruf jederzeit wieder ändern kann. Man darf seine Zukunftsgestaltung oder Orientierung und sich selbst stets neu erfinden.
All die gerade genannten Aspekte bilden die Säulen, auf denen Resilienz steht. Und wie in einem Haus stellen sie das Fundament dar und sind so stark wie das schwächste Glied. Zwar können alle getrennt voneinander trainiert werden, sollten allerdings nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Sie hängen zusammen und beeinflussen sich gegenseitig.
In meinem Arbeitsbuch „Resilienz für Fach- und Führungskräfte“, welches ich kostenfrei Newsletter-Abonnenten als kleines Willkommenspräsent zur Verfügung stelle, findest du erste Reflexionsübungen zu jeder Säule der Resilienz.
Wenn dich das Thema tiefer interessiert, dann informiere dich gerne über Infoveranstaltungen und Seminare, die ich in unregelmäßigen Abständen anbiete und auf der Website bzw. im Newsletter verkünde.
Welche Auswirkungen Positive Psychologie und vor allem Emotionen auf dieses Thema haben, kannst du im folgenden Artikel nachlesen. „Warum alle Emotionen wichtig sind“